Das Licht des Lebens


Es war der Tag vor Totensonntag. Und Christine ging wie jeden Tag auf den Friedhof. Da stand sie; - zwischendurch prasselte der Regen, sie hielt den dunklen Schirm gegen den Wind gepresst, manchmal waren es Sturmböen. Sie stand da vor dem Grab ihres Mannes, Josef, über zwei Jahre ist es nun her, dass er gegangen war. Jeden Tag, Tag für Tag kam sie hierher. Jeden Tag einmal, und sie dachte: "Es kein Tag vergangen, dass ich nicht hergekommen bin." Und der Regen, der wieder stärker anfing, und der Wind, der fuhr über die Grabplatte. Darauf hatte sie schreiben lassen: "... nimmermehr sterben". Sie selbst wusste gar nicht, wieso Sie darauf gekommen war, so etwas zu schreiben: "... nimmermehr sterben". Ihr war völlig unklar, woher sie das hatte, aber ihr war danach. "Nein, Josef", dachte sie leise bei sich, "der liebe Gott lässt einen Mann wie dich doch nicht sterben; du wirst nicht sterben, du bist bei ihm. Und wenn ich hier bin, dann fühle ich im Laufe der Zeit, im Laufe dieser zwei Jahre habe ich es gespürt: Du bist beim Allmächtigen, du bist dort, wo unsere Sehnsucht von Kind auf hingegangen ist, die Sehnsucht zu einem guten Gott, zu einem Gott unserer Mütter und Väter. Es wird alles gut, Josef", dachte sie.

Josef kam aus katholischem Haus, daher auch sein Name. Aber damals, als er nach Schüttorf kam, und sie dann kennen lernte, da wollte er auch gerne in dieser großen Gemeinde sein. Außerdem war er irgendwann überzeugt: "Hier bei den Evangelischen ist es nicht so streng." "Aber in mancherlei Hinsicht", dachte sie, "hatte er sich da wohl geirrt. Manchmal ist es auch hier ganz schön streng." Aber es war doch eine gute Zeit, eine gute Zeit mit ihm. Manches mal musste sie daran denken, wie sanftmütig er war, wie er mit einer ganz besonderen Toleranz über alles nachdachte, wir er oft nachgiebig war, auch ihr gegenüber, und wie er ihr half im Haushalt, ihr zu Seite ging. Damals, als sie das erste Kind bekamen. "Damals", dachte sie, "solange ist es ja noch gar nicht her, er ist er nur 66 Jahre alt geworden, nur 66 Jahre." Und es ging ihr durch den Kopf, wie verbittert sie war, vor zwei Jahren. Nur 66 Jahre, das ganze Leben geschuftet in der Firma, sich krumm gelegt. "Hat immer nachgegeben", sann sie nach, "immer nachgegeben..." Und irgendwann konnte er gar nicht mehr. Dann kam das Rentenalter, 65 Jahre war alt, hat eigentlich nur ein Jahr davon gehabt. Herzinfarkt, der zweite war es, und dann war er daran gestorben. "Was hat er eigentlich gehabt von seinem Leben, hat so geschuftet, so viel gemacht, dann der Herzinfarkt, dann noch einer..." während sie so in sich versunken war, ließ der Regen etwas nach und die Kolonne, die da schon von weitem zu sehen war, erst mit den vielen schwarzen Regenschirmen, die Schirme wurden eingezogen, die Leute gingen weiter, - irgendwann standen sie etwas entfernt von ihrem Grab, dem Grab von Josef. Und der Wind brachte einige Fetzen herüber, von dem, was dort an dem anderen Grab gesagt wurde. Und einiges konnte sie verstehen, auch dieses Wort: "Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben." Da war es, - dieses Wort, das auf der Grabplatte stand: "Nimmermehr sterben", da kam es her; jetzt fiel es ihr ein, sie hatte es manches Mal gehört bei anderen Beerdigungen, bei ihren Freundinnen und Freunden, Nachbarn, wenn sie da mal hin musste. "Nimmermehr sterben", das hatte der Pastor gesagt.

Im Johannes Evangelium steht es. Dieses Wort, das Christine auf die Grabplatte ihres Mannes geschrieben hatte, stammt aus dem Johannese-vangelium. Johannes 11, Vers 25:

"Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben."

Wörtlich steht da: "Der wird nicht sterben bis in alle Ewigkeit." Das sagt Jesus Martha; Martha, das ist die Schwester von Larzarus gewesen, Larzarus, der tot war oder tot schien, auf jeden Fall waren alle in Trauer und voller Entsetzen: "Mein, unser Bruder ist tot, Larzarus ist tot!" Und Jesus fragt Martha nach der Auferstehung. Und sie sagt: "Gewiss Herr, eine Auferstehung, das mag ich wohl glauben am Jüngsten Tag." Kennen wir auch, das Jüngste Gericht, der Jüngste Tag, diese Begriffe gibt es ja. "Nein, nein", sagt Jesus, "nicht der Jüngste Tag, nein, das meine ich nicht." Und dann sagt er eben dieses Wort: "Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt." "Ob er gleich stürbe", sage ich auf dem Friedhof in einem etwas älteren Deutsch von Martin Luther. "Wer an mich glaubt", sagt Jesus. Jesus hält sich nicht für Gott, aber er spürt doch, dass die Kraft Gottes in ihm lebendig geworden ist und dass Gott letztendlich in allem lebt, was Gutes bewirkt und so auf wunderbare Weise in Christus Jesus. "Wer an mich glaubt", das kann ich nur so verstehen wie: Gott ist nicht fern. Und wer an Gott glauben kann in Christus, der glaubt einen lebendigen Gott, der glaubt keinen Gott, der irgendwo über uns schwebt, fern von uns ist und sich womöglich die Hände reibt über unsere Trauer und all das Elend, das auch wir hier in unserer Zeit erleben angesichts von Krankheit und Tod mit so viel Tränen, mit so viel Angst auch: Wie geht es weiter, wie die das Leben weiter, wie geht es zu Ende mit uns, mit mir? Der sich die Hände reibt ob unseres Elends oder unserer Angst. Nein, so ein Gott ist das nicht. Es ist ein Gott, der in Christus sich mit uns gefreut, mit uns gelebt hat, manche Feste gefeiert, aber auch mitgelitten hat. Im Leiden ist er uns nahe gekommen, unseren Ängsten, unserer Verzweiflung und unserem Zweifel. Voll innerer Zerrissenheit schrie Jesus sterbend aus: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen." Aber er hat ihn nicht verlassen. Wir leben aus seiner Auferstehung, aus diesem größten aller Wunder. Wir leben aus seinen Worten, wir leben aus seinem Leben, aus dem, was er uns hier sagt: "Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe." Auch wenn er stirbt, wird er leben. Hat Christine nicht recht, wenn sie glaubt, dass ihr lieber Josef nicht tot ist, wenn sie dieses Nimmer-mehr-sterben so glaubt? Und gilt dies nicht für jeden, der lebt und glaubt, lebt, nicht passiv und unbeteiligt ist, der mit dem ganzen Gefühl und mit ganzer Kraft glaubend das Leben erfährt und Gott spürt als einen lebendigen Gott in Jesus Christus? Hat sie nicht recht, wenn sie dieses fühlen kann? Er wird leben und er lebt. Nimmermehr sterben.

Ich denke, Christine hat recht. Es ist nicht so, dass wir denken müssen, alles wird irgendwie verschoben auf den Sankt Nimmerleinstag. Es heißt nicht St. Nimmerleinstag, es heißt nimmermehr sterben, so wie Jesus selbst gesagt hat am Kreuz zu dem Schächer: "Noch heute, noch heute wirst du mit mir im Paradies sein." Wir wissen natürlich nicht, wie dieses Paradies aussieht. Es gibt wohl Menschen, die schon fast weg waren aus dieser Welt. Viele Menschen, vielleicht kennen Sie welche. Ich kenne welche, die so nahe am anderen Ufer waren, die dachten, sie wären schon da. Manche waren sogar regelrecht enttäuscht, dass man sie noch wieder zurückgeholt hatte. Und wenn man sie dann fragt, dann sagen Sie alle etwas ganz ähnliches. Sie berichten, sie wären durch einen Tunnel in ein gleißendes helles Licht hineingekommen und hätten innerhalb von Bruchteilen von Sekunden, in einer Kürze der Zeit, die unaussprechlich ist, noch alles einmal gesehen, viele Teile ihres Lebens noch einmal förmlich erlebt, vor allen Dingen das, was sie lieb gewonnen hatten: Wärme, Zuversicht, Vertrautheit, die Tiefe des Glaubens. Es gibt Untersuchungen darüber, auf welche Weise in der ganzen Welt Menschen diese - man nennt sie Nah-Tod-Erfahrungen - gemacht haben. Der Leiter eines wissenschaftlichen Institutes in Weinberg, das sich ausschließlich mit diesen Fragen befasst, sagte im Rahmen eines Interviews: 90 Prozent der Menschen, die so etwas erlebt haben, kehren zurück in dieses Leben als außerordentlich gläubige Menschen, egal wo dies auf unserer Welt geschieht; sie haben gespürt: es gibt eine geheimnisvolle Kraft, es muss etwas geben außerhalb unseres Lebens, wohin wir alle einmal gehen werden. Und er sagt weiter: Wenn unser Gehirn so etwas denken und fühlen, empfinden kann, dann muss so etwas einen Sinn haben; denn alles hat in der biologisch/geschichtlichen Entwicklung der Lebewesen, also auch von uns Menschen, irgendeinen Sinn. Es kann ja nicht darum gehen, dass wir irgendwie beruhigt werden - ganz im Gegenteil: gerade die Angst vor dem Tod hat den biologischen Sinn, dass der Organismus alarmiert wird und sich schützt vor todbringenden Gefahren. Der tiefe Sinn muss damit zusammenhängen, dass das menschliche Gehirn eine das Individuum übergreifende Vorinformation des Geschehens des Übergangs von diesem Leben in eine andere Existenz hat. Und diese Vorinformationen, die den menschlichen Organismus nicht warnt oder gar ängstigt, geben ihm ein Gefühl von Geborgenheit und ein Vertrauen in die Bewahrung all dessen, was in seinem Leben an liebevoller Nähe hervorgebracht worden ist.

Die bekannteste Nah-Tod-Erfahrung im Neuen Testament ist die des Apostel Paulus. Im 12. Kapitel des 2. Korinther-Briefes spricht er davon, wie er im Rahmen solcher Erfahrungen der Welt förmlich entrückt ist. Von diesem einschneidenden Erlebnis in seiner individuellen Geschichte, infolgedessen er zunächst sogar blind wurde, sagt er: "Ich habe den Himmel, Unaussprechliches gesehen. Und ich bin so erfüllt von der Gnade, die mir dadurch widerfahren ist, dass ich wohl immer abgehoben von dieser Erde leben könnte. Aber damit ich wieder zurückgeholt werde auf den Boden der Tatsachen, hat mir Gott so etwas wie einen Pfahl in meinem Fleisch gegeben." Vielleicht das Symbol für seine Depressionen, worunter er immer wieder litt, "damit ich nicht gleich abschwebe. So grandios ist mir dieses Erlebnis gewesen, so nah war ich Gott, und so habe ich seine Stimme gehört: Saul, Saul, warum verfolgst du mich". Und aus Saulus wurde Paulus, wurde ein Mensch, der um die Welt segelte, die damals bekannte Welt, und der die Leute erfasste mit seinem tiefen Glauben: Es gibt weit, weit mehr, als wir in dieser Existenz erfahren. Von ihm kommen diese wunderbaren Worte von dem Samenkorn, eingesenkt in die Erde zum Sterben, damit es lebt. Indem es stirbt, das Samenkörnchen, lebt es, entfaltet eine neue Qualität. Wenn wir es nicht besser wüssten: Wer würde denn schon sagen, dass aus einem kleinen Weizenkörnchen mal eine Pflanze wird, ganz anders gestaltet und doch herkommend aus diesem winzigen Körnchen? "Von Herzen ahnend und doch etwas, was kein Auge je gesehen", das, was kommen wird jenseits unseres erfahrbaren Raums und unserer erfahrbaren Zeit.

Und doch ahnbar und spürbar, wie Christine meint, weil Gott - wie es in den Psalmen 16 und 73 heißt "ein Teil von mir" ist - ganz mit uns verbunden. Und wenn es stimmt, dass Gott so zu uns gehört, in dieser Welt durch und in Jesus Christus Teil von uns, Teil von jedem von uns ist, dann, dann ist dies das grandioseste Stück Ewigkeit, das wir selbst in unseren Herzen haben, dann macht es eben auch nicht Wunder, dass die Menschen, die schon fast drüben waren, übereinstimmend in der ganzen Welt von diesem Lichtschein der Ewigkeit angestimmt sind und davon erzählen. Dann macht es auch nicht Wunder, dass Jesus selbst von diesem Licht - ganz besonders im Evangelium nach Johannes - begeistert war und es so die Mitte gestellt hat. "Ich bin das Licht des Kosmos", hat er gesagt und "wer mir nachfolgt, der wird das Licht des Lebens haben." Und umgekehrt ruft er an anderer Stelle den Menschen zu: "Ihr seid das Licht der Welt!" Dieses Licht zu spüren auch angesichts des Schreckens des Todes, all der Trauer, die uns in unserem Leben immer auch begleitet, ist eine tiefe Dimension des Glaubens.

Ich denke, Christine hat recht: Es hört eben nicht auf mit dem Tod, der Tod ist, wenn man so will, eine Grenze wie die Geburt. Und wer hätte schon gewusst damals, als wir noch im Mutterleib waren, dass wir mit der Geburt eine solche Welt vorfinden würden. Eine unvorhersehbare, ganz andere Welt nach einem Moment des Übergangs. Und so die zweite Grenze unseres Lebens: Wir gelangen in eine andere Zeit, in einen anderen Raum, aber da bist Du, Herr. "Bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da." (Ps 139). "Du nimmst mich am Ende mit Ehren an", heißt es im Psalm 73. Das ist ein wunderbares Bild, ja, mehr als ein Bild: Es ist die glaubende Gewissheit, dass dieser Gott, der zu uns gehört in diesem Leben, der ein lebendiger Gott ist, dass der eben nicht im Tode einfach abwesend ist, nicht da ist, sondern gerade dann da ist, um uns mit Ehren anzunehmen.

Es waren einmal Zweifler der Auferstehung bei Jesus, die wollten ihn auf die Probe stellen. Als Jesus in diesem Zusammenhang auf sie antwortete, sagte er: "Habt ihr vergessen, was Gott dem Mose gesagt hat am brennenden Dornbusch? Ich bin der Gott deiner Väter." Das war alles: "Ich bin der Gott deiner Väter." Und dann ruft Jesus den Zweiflern der Auferstehung zu: "Ihr irrt sehr!" Was meint er damit? Ich denke, er meint es ähnlich wie Christine: Wenn Gott bei den Vätern ist und nicht ein Gott war, dann ist Gott, dann ist er ein seiender, ein Gott im Fluss der Zeit, der immer da ist, dann ist er, wie Jesus anschließend auch sagt, "nicht ein Gott der Toten, sondern ein Gott der Lebenden". Eben: "Ich bin der Gott deiner Väter." Und wir könnten hinzufügen: Deiner Mütter, all der Menschen, die du liebst, die nicht mehr hier sind auf dieser Welt, aber doch in der Welt, dem Kosmos Gottes. Daher auch der alte Gottesname, der so übersetzt werden kann: Ich bin der seiende Gott, der immer war, der immer ist, der immer sein wird. Nicht der Gott des Todes, sondern der des Lebens. Auf diese Weise führt uns Gott in Jesus Christus in das Licht des Daseins der Welt. Und so können die Tränen abgewischt werden. Und so kann die tiefe Gewissheit in uns Raum gewinnen, dass eben nicht einfach Schluss ist mit dem Tod. Ganz im Gegenteil: Es fängt auf eine ganz neue Weise wieder an. Gott wird die Herzen der Menschen wieder zusammenführen, alles das, was in diesem Leben gelebt, gehofft und geglaubt hat, alles das, was irgendwo Güte gewonnen, an gutem Herz Raum geschaffen hat, das wird Gott auch erhalten. Darum ist ihr Gefühl, das Gefühl von Christine, nacherfahrbar: die Sanftmut, das, was ich erleben durfte an Liebe, an Zärtlichkeit, das, woran ich mich gerne erinnere, das wird mir letztlich nicht genommen. Es ist das, was Gott bewahrt wie einen kostbaren Schatz. Was er uns hier schon geschenkt hat, Teil meines Herzens ist, aber was dann eine Dimension erfährt, die "kein Auge je gesehen" hat. Auch Jesus hat vom Reich Gottes jenseits unserer irdischen Existenz nur in Bildern gesprochen, in den wunderschönen Bildern der Natur, - Senfkorn, fruchtbarer Acker, Weizenkorn. Aber in diesen Bildern ahnen wir: Es bleibt erhalten, was gut gewesen ist, und erfährt doch ganz Neues.

In den Poren unseres Lebens als dem diesseitigen Dasein spüren wir manches Mal, dass die, die wir so lieben, nicht wirklich fort sind, dass dieser Gott in seiner Allgegenwärtig auch Verbindungen schafft zu ihnen. Deshalb halte ich es nicht für ein merkwürdiges Ritual, wenn Menschen zum Friedhof gehen. Natürlich weiß jeder, jede Frau, jeder Mann: Da sind die Menschen nicht. Es handelt sich um eine Art Gedenkstätte. Aber es ist mehr als eine Gedenkstätte. All die, die ich kenne, die viel dorthin gehen, die sagen mir auch und geben mir zu verstehen: "Ich bin dort, und wenn ich im Gebet bin und in der Stille dort, dann fühle ich, irgendwie ist Gott mir ganz nah, und in dieser Nähe wird es auch wieder aufkeimen, die Kraft seiner Liebe, wird Verbindung hergestellt." Da sind sie nicht, die Toten, Gott sei Dank nicht, dort in der Erde. Sie sind bei und in Gott in einer Weise, die wir nicht kennen, aber wovon wir zuversichtlich glauben können, in einem Licht, wovon diese Welt erstrahlt ist in Jesus Christus, in seiner Liebe.

Christine hatte sich an diesem Tag vor dem Totensonntag - Totensonntag mochte sie nicht gerne sagen, lieber sagte sie Ewigkeitssonntag - vorgenommen, in die Kirche zu gehen. Und so saß sie am Ewigkeitssonntag im Gottesdienst zum ersten mal seit langer Zeit mitten unter den Menschen. Als sie das Wort hörte von der Auferstehung und dem Leben und dem "nimmermehr sterben", die Geschichte von einer verzweifelten Frau, da war sie zwischendurch der festen Überzeugung, dass sie selbst es wäre, die gemeint sei. Und dann dachte sie bei sich und hörte sich innerlich sprechen: "Ich bin nicht mehr so verbittert wie damals vor zwei Jahren, wo er mir so plötzlich genommen wurde." Und sie spürte, dass an die Stelle der Verbitterung der Kummer trat, zunehmend mehr. "Kummer", dachte sie, "ein guter Verbündeter der Trauer. Kummer, das kommt von kümmern, dass ich mich kümmern kann um mich, um meine Trauer, aber auch um die anderen Menschen, um die, die krank sind, die Angst haben vor dem Tod, dass ich bei Ihnen bin. Es muss wieder einen Sinn geben in meinem Leben. Es muss wieder etwas geben, wofür ich ..., ja, Gott, Du hast mich doch für irgend etwas bestimmt, was sich tun soll in dieser Zeit, ich soll noch nicht wie eine kleine Primel eingehen neben dem Grabstein meines Mannes... Gib mir die Kraft, ich muss etwas tun für sie, die anderen."

"In der Welt hat ihr Angst, aber seit getrost, ich habe die Welt überwunden", hörte sie Jesus sagen. Und sie spürte: Jesus ist da, seine Liebe wird niemals vergehen. "Und wenn das so ist", hörte sie sich sprechen, "dann, dann ist es schon eine Ewigkeit im jetzt, dann ist es schon da, das Reich Gottes, ein ganzes Stück und in Christus doch so vollkommen." An diesem Tag ging sie nicht zum Friedhof. Sie ist noch sehr oft gegangen, später, aber an diesem Tag eben nicht. "Eigentlich seltsam", dachte sie, "alle gehen doch gerade an diesem Tag." Aber an jenem Ewigkeitssonntag ist sie nicht gegangen, weil sie in den entscheidenden Momenten dieses Tages das Leben in sich aufkeimen spürte und zu sich selbst sagen konnte: "Es ist gut, dass ich lebe, dass ich da sein kann für die Menschen in dieser Welt. Und irgendwann, lieber Gott, an dem Tag, den wohl nur du weißt, wirst du mich wieder zusammenführen mit meinem Josef, alles wird gut, weil in Jesus, in seiner Auferstehung alles gut geworden ist."

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